Abgesehen von der Entwicklung ausgeprägter Schulen innerhalb der Haupttradition ist in fortschrittlichen Gesellschaften wohlüberlegter und bewusster Dissens gegenüber der Orthodoxie ein häufiges Phänomen gewesen. Christen, Juden und Muslime sind unterteilt in die orthodoxen (aller Schulen) und andersgläubigen Gruppen, die ein divergierendes Muster der Religionsausübung befolgen, sich abweichenden Glaubensinhalten anschließen und ihre eigenen separaten Einrichtungen schaffen. Dissens ist am augenfälligsten in Zusammenhängen, bei denen religiöse Exklusivität überwiegt; das heißt, bei denen vom Einzelnen, wenn er sich einer Religion verschrieben hat, verlangt wird, dass er die Bindung zu allen anderen aufgibt – ein Muster des Bekenntnisses, das in der christlichen Tradition rigoros verlangt wird. Da manche europäischen Regierungen aufgehört haben, ihren Staatsbürgern bestimmte Religionsformen vorzuschreiben, und da sie zumindest formal in gewissem Grade sogar ihre diskriminierenden Bevorzugungen einer Religion gegenüber einer anderen reduziert haben, hat sich die Situation in jenen Ländern derjenigen angenähert, die in den Vereinigten Staaten vorherrscht. Somit ist eine Situation entstanden, die als „religiöser Pluralismus“ bezeichnet wird. Dennoch sollte die formale Gleichstellung der Religionen innerhalb einer gegebenen Gesellschaft – Gleichstellung, wie oft gesagt wird, vor dem Gesetz – nicht die Tatsache verbergen, dass nicht selten Diskriminierung in der einen oder anderen Hinsicht fortbesteht. In England hält eine Vielzahl von Gesetzen die Superiorität der Kirche von England aufrecht, der Kirche, die durch das Gesetz etabliert wurde und von der der Monarch weltliches Oberhaupt ist. Eine Reihe anglikanischer Bischöfe sitzt von Rechts wegen im Oberhaus der Gesetzgebung, und episkopale Ernennungen werden vom Premierminister vorgenommen – neben anderen Anzeichen von bevorzugter Behandlung. In anderen europäischen Ländern begünstigen diverse diskriminierende Vorkehrungen eine oder mehrere traditionelle Kirchen gegenüber anderen, andersdenkenden Gruppen oder neuen Religionsgemeinschaften. Es besteht generell in Europa die Freiheit der Religionsausübung, jedoch erleben verschiedene Religionsgemeinschaften vom Staat noch immer unterschiedliche Behandlung und müssen mit den oft feindseligen Massenmedien fertigwerden, die daran arbeiten, öffentlichen Argwohn gegenüber allem, was an Religion unvertraut ist, zu fördern. Solche unterschiedliche Behandlung und die damit verbundene Feindseligkeit entstehen zumindest teilweise aus einem Beharren auf dem normativen Bekenntnis der meisten von denjenigen, die sich traditionell als „Experten“ mit dem Definieren von Religion und der Bestimmung ihrer Eigenschaft befasst haben. Es gibt in allen Gesellschaften eine Hinterlassenschaft der erlernten Sprache über Religion, die den normativen Stempel religiösen Bekenntnisses trägt. Anfängliche Definitionen und Beschreibungen der Grundzüge von Religion verwendeten häufig Begriffe, die aus den religiösen Traditionen jener, die sie formulierten, entlehnt worden sind. Es wird ohne Weiteres von Sozialwissenschaftlern anerkannt, dass die Verbindung von Begriffen, die für eine Religion charakteristisch sind, die Darstellung anderer Religionen verzerren muss und häufig mit falschen Annahmen über deren Art und Einstellung einhergehen kann. Begriffe, die sich innerhalb einer kulturellen und religiösen Tradition entwickelten, stellen funktional äquivalente, jedoch formal unterschiedliche Elemente der Religion einer anderen Tradition falsch dar. Beispiele für solch eine unangebrachte Verwendung umfassen Bezugnahmen auf die „buddhistische Kirche“, die „muslimische Priesterschaft“ oder (unter Bezugnahme auf die Trinität) „christliche Götter“. Gerade die Begriffe „Kirche“ und „Priesterschaft“ tragen machtvolle spezifische kulturelle und strukturelle Konnotationen, und die Phänomene, auf die sie angewendet werden, sind in vielerlei Hinsicht ihren funktionalen Äquivalenten in anderen religiösen Systemen unähnlich. Die intellektuellen, ideologischen, moralischen und organisatorischen Attribute, die sie charakterisieren, beziehen sich speziell auf die christliche Tradition, und die Verwendung dieser Begriffe führt zwangsläufig zu Verwirrung, Fehldarstellung und falschen Erwartungen gegenüber anderen Religionen und somit zu Argwohn und möglicherweise Feindseligkeit.